Diversität

(Selbstgemachte) Hürden im Auswahl- und Einstellungsprozess von internationalen Talenten

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Zuletzt blieben 530.000 Arbeitsplätze in Deutschland unbesetzt - Tendenz steigend. Der Bedarf an Arbeitskräften betrifft nicht nur Fach- und Führungskräfte, sondern alle Qualifikationsniveaus. Dabei ist Migration ein wichtiger Teil der Lösung.  Unternehmen, die kulturspezifische Besonderheiten bei der Auswahl geeigneter Mitarbeiter berücksichtigen, haben dabei die Nase vorn.

Doch viele traditionelle Auswahlverfahren scheitern daran, diese Talente tatsächlich einzustellen. Assessment-Center, standardisierte Bewerbungsprozesse und starre Anforderungen an Sprachzertifikate sind für viele internationale und geflüchtet Talente unüberwindbare Hürden – und das oft unnötigerweise. Wer erfolgreich sein will, muss umdenken.

Hier sind fünf häufige Stolpersteine im Bewerbungsprozess – und wie Unternehmen sie vermeiden können.

Bewerbungsunterlagen: Unterschiedliche Kommunikationsstile verstehen

Es gibt Kulturen, in denen Vorgaben und Abläufe gerne verschriftlicht werden, wie zum Beispiel Deutschland, und es gibt Kulturen, in denen die mündliche Darstellung einen hohen Stellenwert hat. Dies drückt sich auch in Bewerbungsunterlagen und -gesprächen aus.

Darüber hinaus können kulturunterschiedlich lange und ausführliche oder kurze und prägnante Stile Ausdruck von Professionalität sein. Leistungen werden mitunter übertrieben, verklausuliert oder reduziert dargestellt. Je nach Gewichtung kann eine Fehleinschätzung die Folge sein. 

Lösung:

  • Statt rein auf formale Kriterien zu achten, sollten Unternehmen multimodale Bewerbungswege ermöglichen (z. B. Video-Pitches oder Probeaufgaben).

  • Kulturell unterschiedliche Darstellungsweisen von Qualifikationen berücksichtigen und stärker auf Inhalte statt auf Formulierungen achten.

  • Klar kommunizieren, was wirklich wichtig ist: Lebenslauf? Portfolio? Arbeitsproben?

Die Bedeutung von Sprachzertifikaten

Ein B1-Zertifikat ist nicht gleich B1-Niveau. Auch hier befinden wir uns im Deutungsfeld zwischen schriftlich starken oder mündlich starken Kulturen.

Darüber hinaus hilft uns eine geschliffene Sprache wenig, wenn das Fachthema, das am Arbeitsplatz erwartet wird, begrifflich nicht beherrscht wird. Viele Sprachtests und damit leider auch einhergehende Einstellungsvoraussetzungen legen hier den falschen Fokus. 

Extrovertierte Kulturen haben hier übrigens besonders große Vorteile gegenüber introvertierten Kulturen. Das sagt aber nicht unbedingt etwas über die Qualifikation aus.

Lösung:

  • Weniger Fokus auf formale Zertifikate, stattdessen praxisnahe Sprachtests im Bewerbungsprozess nutzen.

  • Probeaufgaben oder Fachgespräche durchführen, um die Sprachkompetenz im Arbeitskontext zu überprüfen.

  • Sprachförderung im Unternehmen ermöglichen, z. B. durch berufsbezogene Sprachtrainings.

Schlüsselbegriffe: Kulturell unterschiedlich interpretiert

Werte wie Pünktlichkeit, Feedback-Kultur oder flache Hierarchien haben in verschiedenen Ländern unterschiedliche Bedeutungen. Was für deutsche Unternehmen selbstverständlich ist, kann in anderen Kulturen missverstanden oder anders interpretiert werden.

Ein Beispiel: Auf die Frage „Wie gehen Sie mit Feedback um?“ kann je nach kulturellem Hintergrund die Antwort stark variieren:

  • In manchen Kulturen ist kritisches Feedback nur in Einzelgesprächen üblich.

  • In anderen gilt Feedback als Zeichen von Unsicherheit bei Führungskräften.

  • In wieder anderen wird Feedback nur gegeben, wenn es explizit eingefordert wird.

✅ Lösung:

  • In Vorstellungsgesprächen nicht nur fragen, ob jemand mit Feedback umgehen kann, sondern wie Feedback in bisherigen Arbeitskontexten erlebt wurde.

  • Missverständnisse durch klare Kommunikation und Onboarding-Prozesse vermeiden.

  • Schulungen für HR-Teams zu interkultureller Kommunikation einführen.

Einschätzung von Fachkenntnissen und Eignungen

„Können Sie die Maschine XY bedienen?" Antwort: „Ja!"

Was bedeutet dieses „Ja" von jemandem aus einer anderen Kultur? Den unterschiedlichen Bildungssysteme liegen unterschiedliche Werthaltungen und Bildungsziele zu Grunde.

Ein „Ja" kann bedeuten, dass man alles dafür tut, um der Anforderung gerecht zu werden. Jedoch nicht, dass man die Anforderung per se bereits erfüllen kann. Oder vielleicht will und darf man sich keine Blöße geben.

In Kulturen in denen Hierarchien eine große Rolle spielen, sind individuelle Eigenschaften oft weniger wichtig. Eigene Fähigkeiten sind vorhanden, werden aber nicht dargestellt.

Umgekehrt kann die individuelle Überbewertung besonders wichtig sein, sagt aber nichts über die realen Kenntnisse aus. Auch hier spielen kulturbedingte Verhaltensweisen eine große Rolle. Man muss sie nur kennen.

Lösung:

  • Praxisnahe Tests oder Probeaufgaben statt rein auf Selbsteinschätzungen zu setzen.

  • Klare Fragen stellen: „Welche Maschinen haben Sie bereits bedient?“ statt „Können Sie diese Maschine XY bedienen?“

  • On-the-Job-Trainings statt ausschließlich auf Vorerfahrungen zu setzen.

Langwierige Entscheidungsprozesse: Schnelligkeit zählt

Internationale Fachkräfte bewerben sich oft bei mehreren Unternehmen gleichzeitig. Wer drei Monate für eine Entscheidung braucht, verliert Talente an schnellere Arbeitgeber.

Typische Probleme in Unternehmen:
❌ Langwierige interne Abstimmungsprozesse
❌ Fehlende Zwischenkommunikation mit den Bewerbern
❌ Unklare Ansprechpartner oder komplizierte Bürokratie

✅ Lösung:

  • Den Auswahlprozess vereinfachen und beschleunigen.

  • Transparente Kommunikation: Bewerber regelmäßig über den Stand der Bewerbung informieren.

  • Digitale Bewerbungsprozesse einführen, um unnötige Verzögerungen zu vermeiden.

  • Statt mehrstufiger Auswahlverfahren gezieltere Interviews oder Probearbeiten nutzen.

Wer umdenkt, gewinnt die besten Talente

Der deutsche Arbeitsmarkt braucht internationale und geflüchtete Talente – doch viele Unternehmen verlieren wertvolle Kandidaten durch hausgemachte Hürden. Wer seine Prozesse inklusiver, schneller und flexibler gestaltet, hat einen klaren Wettbewerbsvorteil.

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In unseren Blogposts verzichten wir auf gendergerechte Sprache, um die Lesbarkeit für Menschen mit Migrationshintergrund zu erleichtern. Selbstverständlich sind alle Gender mitgedacht, da uns Vielfalt und Respekt wichtig sind.

January 30th, 2025

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Gerhard Hain Managing Partner - ti communication GmbH

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